Palz Alsace Open am Treh: Schöne Strecken, und wieder was gelernt.
Bei Wettkämpfen stellt sich meist die Frage: Lohnt es sich, hinzufahren? Düse ich sechs Stunden in die Alpen, um dann die meiste Zeit im Regen zu campen, oder wird das Wetter halten?
Diesmal fällt die Entscheidung doch etwas leichter. Das Wetter ist zwar nicht ideal, aber das Palz Alsace Open 2017 findet (für Wettkampfverhältnisse) fast um die Ecke statt – am Treh in den Südvogesen.
Wettkampffliegen im Mittelgebirge, in einem Fluggebiet, das ich kenne. Wenn schon so nah, muss ich einfach hin, entscheide ich erst am Vorabend, und setze mich gleich ins Auto, und schlage in Fellering mein Zelt auf. Jonas war ähnlich spätentschlossen, mangels Karlsruher A5-Dauerbaustelle aber schon längst da. Auch Eric ist mit von der Partie.
Morgens geht es los mit dem Pflichtbriefing: Der ortskundige Meet Director weist die Teilnehmer in örtliche Besonderheiten, Luftraumstrukturen und Wetter ein, und kündigt auch schon die geplante Strecke an: One-Way vom Treh an den Kaiserstuhl, von wo ein Bus alle wieder zurückbringt. Ich bin zunächst skeptisch – noch haben wir eine geschlossene Wolkendecke, und ordentlich Wind.
Wie funktioniert ein Gleitschirm-Wettkampf?
Die Teilnehmer versuchen, eine festgelegte Strecke über mehrere Wendepunkte, die sich je nach Wetter über dutzende bis über 100 Kilometer erstreckt, möglichst schnell zu fliegen. Diese Strecke wird erst kurz vorm Start endgültig festgelegt und berücksichtigt Wetter, Sicherheit, und geländetechnische Besonderheiten wie Abrisskanten und Leefallen.
Sicherheit geht vor. Damit es beim Starten nicht zum Chaos kommt, wartet man in der Thermik, die Drehrichtung ist vorgegeben. Erst zu einem vorher vereinbarten Zeitpunkt darf die Startlinie (meist ein sehr großer Kreis) überquert werden. Umgekehrt funktioniert auch das Ziel: Der vorletzte Wendepunkt ist die “End of speed section”, hier endet die Zeitmessung, damit niemand auf die idee kommt, in Bodennähe ins Vollgas zu gehen, nur um das Ziel schneller als andere zu erreichen.
Das ganze Rennen über beobachten Piloten und Wettkampfleitung kritisch die Bedingungen und brechen das Rennen im Zweifelsfall per Funkspruch ab. Nach jedem Task wird kontrolliert, ob alle Piloten sicher am Boden sind, wer sich nicht rechtzeitig zurückmeldet, wird gesucht.
Große Wettkämpfe erlauben jedem Piloten, den jeweils schlechtesten Durchgang zu “streichen”. Damit ist es möglich, auch mal auf einen Start zu verzichten, ohne gleich die Chancen auf das Podium aufzugeben.
Erster Task: One-Way zum Kaiserstuhl
(Bericht von Sebastian Schmied)
Jeder Pilot holt sein Lunchpaket und meldet seine Teilnahme am Durchgang per Unterschrift (“Sign in”) an. Mit drei Bussen geht es zum Startplatz, wo wir unter geschlossener Wolkendecke und mit viel Hoffnung die Ausrüstung vorbereiten. Zweites Briefing: Die angekündigte Aufgabe wird bestätigt und konkretisiert:
Vom Treh (“Take Off” geht es über eine ohnehin auf dem Weg liegende Sicherheitsboje (“1”) über Colmar an den Kaiserstuhl (“Goal”). Cool! Das ist eine Strecke, die man beim freien Fliegen eigentlich eher nicht versucht, da man mühsam wieder zurücktrampen müsste. Oft schränken Wettkämpfe die Streckenfliegerei eher ein, in diesem Fall freue ich mich aber über etwas neues.
Wettertechnisch kommt zunehmend Hoffnung auf: Der Wind nimmt ab, die Sonne zeigt sich häufiger. Die Wettkampfleitung setzt den Start auf 16:00 fest, ab 15:30 darf schon geflogen werden. Der Startzylinder (der riesige Kreis im Bild) dient als eine Art Startlinie, die erst zu Beginn des Rennens überquert werden darf.
Ein letzter Check, und los gehts! Das Wetter ist inzwischen richtig vielversprechend, die einzigen Wolken sind die begehrten Cumuli. Beeindruckend diszipliniert starten binnen 30 Minuten über 70 Piloten, darunter auch Jonas, Eric und ich. Im Startbart fühle ich mich wohler als in vielen überfüllten Fluggebieten, denn hier weiß jeder, was er tut (hoffe ich). Die Kurbelrichtung ist vorgegeben: An geraden Tagen wird rechts gekreist. Zudem verteilt sich das Feld auf drei Bärte, was das ganze weiter entspannt.
Ich selbst finde fast sofort eine schöne Thermik, die mich bis an die Basis bringt. War ja einfach, und ich habe noch eine ganze Viertelstunde bis zum Start… Ich beschließe, die Thermik wieder zu verlassen, und andere Stellen zu erkunden, bis es los geht. Man kommt ja grade eh so einfach nach oben… Ein Fehler. Eine aufziehende Abschattung lässt die Thermikbärte wieder schwächer werden, statt zu erkunden bin ich nun tief am Suchen. Eine Minute vor Start – also viel zu spät – fliege ich eine sonnenbeschiene Kante an, und habe Glück. Ein Drei-Meter-Bart bringt mich wieder nach oben, und ich drehe ihn in aller Ruhe aus. Ich weiß: Das kostet mich Zeit, und ich kann nicht wie die anderen Punkt 16:00 losdüsen. Aber ich bin mit meinem C-Schirm eh Außenseiter, und kann die zusätzliche Höhe gut gebrauchen. Als ich endlich an der Basis bin, sind schon drei Minuten seit dem Start vergangen. Ich sehe nur wenige Schirme tief vor mir. Klarer Fall: Ich habe den Anschluss an das Pulk verloren. Schade, aber dann versuche ich eben noch, diese Nachzügler einzuholen.
Etwas zögerlich fliege ich los, und nehme recht konservativ jedes Steigen mit. Ab und zu treffe ich andere Nachzügler, mit denen ich gemeinsam kreise, und die ganze Zeit frage ich mich: Müsste ich nicht irgendwann zumindest am Horizont das Hauptfeld sehen? Nein? Egal, weiter. Passend zur Tageszeit versuche ich, mich an Südwesthängen zu halten, bis ich an Wendepunkt 1 – der Burg Hohlandsburg – die Vogesen verlassen muss. Ich fliege nun etwas zögerlicher, drehe schwaches Steigen aus, und werde von anderen Nachzüglern eingeholt. Cool, da hatten wohl noch mehr Piloten einen schlechten Start. Über Colmar steht eine fette Wolke, dort verspreche ich mir weiteres Steigen, traue mich aber nicht, mit Vollgas dorthin zu fliegen. Immer wieder drehe ich schwaches Steigen, denke dann, da hinten muss es besser gehen, und fliege weiter zum nächsten schwachen Steigen, das ich wieder kurz drehe … Die anderen Nachzügler holen auf. Schade, dann lande ich halt wieder ganz hinten. Aber was solls, sind ja alles Wettkampfschirme.
Direkt über Colmar drehe ich dann plötzlich ein Stück zusammen mit Jonas. Und Philipp Haag. Moment, bin ich vielleicht doch nicht so weit hinter dem Pulk? Natürlich sind die beiden schnell an mir vorbei, und ich versuche mitzuhalten. Da vorne muss ja was gehn! Ein Fehler, ab diesem Zeitpunkt finde ich kaum noch Steigen. Bis zum Ziel sehe ich nur noch Schatten. Weit nördlich von mir kreisen weitere Nachzügler, aber ich glaube, mit Rückenwindunterstützung geradeaus bessere Chancen zu haben. Ebenfalls ein Fehler… Ich schaffe es zwar noch über den Rhein, muss aber 5km vor dem Ziel auf einem abgeernteten Feld landen. Schade! Andererseits: Cool! Ich habe gerade zum ersten Mal den Rhein überflogen. Und Spaß hat es auch gemacht. Und ich habe Colmar von oben gesehen.
Später erfahre ich: Mein Start war nicht schlecht, der Bart hatte mir sogar einen ordentlichen Vorsprung beschert. Die “anderen Nachzügler” waren das Führungspulk, und die Piloten mit “noch schlechterem Start” das Hauptpulk. So kann man sich verschätzen! Andere Piloten geben mir Tipps: Beim nächsten Mal das Hauptpulk aufschließen lassen, und gemeinsam fliegen. Bis kurz vorm Ziel unterstützt man sich gegenseitig. Mein zögerliches Vorfliegen von schwachem Steigen zu schwachem Steigen nützte den anderen mehr als mir – ich hatte mich selbst zur Thermikboje degradiert.
Ich verbuche es als Anfängerfehler, hoffe draus zu lernen. Ich ärgere mich über das knapp verpasste Ziel, bin aber auch ein wenig stolz, dass ich zumindest bis Colmar wohl ganz passabel mithalten konnte. Ich freue mich nach überlebter Busfahrt auf den nächsten Task. Jonas kommt an diesem Tag mit einem ansehlichen 13. Platz ins Ziel.
Zweiter Task: Ritsch-Ratsch am Treh
(Bericht von Eric Trapp)
Der zweite Tag lässt uns schon beim Frühstück auf einen schönen Tag hoffen. Der Himmel ist blau und die Sonne schon kräftig am strahlen. Vom Landeplatz Aerotec geht es wieder hoch auf den Treh, oben angekommen kann man schon ein zwei Tandems sehen. Leider können diese nur mühsam bis knapp über den Startplatz aufdrehen. Naja, bis zum Beginn des Task sind es ja noch zwei Stunden, der Tag hat also noch Zeit sich zu entwickeln.
Beim Briefing wird eine knapp 73km lange Ritsch-Ratsch-Aufgabe ausgeschrieben, die uns als erstes direkt an den “Grand Ballon” nach Osten führt, danach geht es weiter zum See “Lac de Kruth Wildenstein” nach Norden. Von dort wieder über den Startplatz hinweg raus ins Tal über den Ort Fellering, hier gilt es viel Höhe mit zu nehmen um nach der lange Gleitstrecke nicht direkt am späteren Landeplatz “Aerotec” landen zu müssen. Der Letzte Zacken führt uns weit in den Norden über “La Schlucht”, entlang der Route des Crêtes gilt es dann im schnellen Endanflug wieder über Fellering die End of Speed Section zu erreichen und dann am Landeplatz pünktlich zur Piloten Party am Abend einzuschweben.
Die Aufgabe verspricht einen schönen Rundflug über die Vogesen und ein noch spannenderes Rennen, da man sich beim Zick Zack fliegen mehrmals entgegen kommt.
Zu Beginn müssen wir mit schwachem Steigen und einer niedrigen Basis um eine gute Startposition kämpfen, Jonas erwischt es besser als Sebastian und ich. Wir müssen das Pulk schon am Anfang ziehen lassen machen erst einmal etwas mehr Höhe. Die Bedingungen verbessern sich zum Glück rasch und das steigen wird auch endlich stärker. Sebastian und ich können dank guter Teamarbeit zusammen einige Plätze gut machen, zwar können wir dem Führungspulk samt Jonas Böttcher und Philipp Haag immer mal wieder winken, wenn es entgegen kommt, doch beim Aufholen haben wir keine Chance. Am Ende springt dennoch ein hervorragendes Ergebnis für uns alle heraus: Jonas konnte sich Platz 4 sichern, Sebastian und ich kamen direkt hintereinander auf Platz 26 und 27 ins Ziel. Der Großteil des Feldes hatte es gar nicht erst ins Ziel geschafft, und den Rückholern einen langen Tag beschert.
Der letzte Task fällt dem Wind zum Opfer. Jonas schafft es damit in der Serienklasse aufs Podium. Herzlichen Glückwunsch!